Rezension _ Andreas Klee (Hg.): Politische Kommunikation im städtischen Raum am Beispiel Graffiti

Der Titel dieses Sammelbandes lässt erwarten, dass die darin veröffentlichten Artikel der Frage nachgehen, inwiefern Graffiti als ein Beitrag zur politischen Auseinandersetzung in unserer Gesellschaft verstanden werden können. Von den sechs Beiträgen beziehen sich jedoch nur die letzten drei konkret auf die Ausdrucksform Graffiti; die anderen befassen sich in allgemeinerer Weise mit politischer Kommunikation, so zum Beispiel mit Grundbegriffen der Politischen Bildungs- und Kulturforschung sowie mit den Zusammenhängen zwischen dem Partizipationsverhalten von Jugendlichen und deren Wohnorten aus der Perspektive der Wahl- und Parteienforschung.
Die zweite Hälfte des Bandes eröffnet ein Artikel, der Graffiti in erster Linie als delinquente Praxis Jugendlicher deutet und diese aus kriminologischer und stadtsoziologischer Perspektive untersucht. Darin wird vor allem herausgestellt, dass der Motivationsfaktor „Risikosuche“ und die Einbettung der Graffiti-Akteur_innen in delinquente Freundschaftsnetzwerke und soziale Ansteckung entscheidend für ein Engagement in der Szene seien. Auf die Frage nach dem politischen Charakter des untersuchten sozialen Phänomens geht der Beitrag jedoch nur am Rande ein.
Der darauf folgende Artikel zur politischen Dimension des American Graffiti dient in erster Linie als literarische Zusammenschau der sozialwissen-schaftlichen Graffiti-Forschung der vergangenen Jahrzehnte, lässt eine gehaltvolle Analyse jedoch vermissen. Des Weiteren weist dieser Beitrag neben einer ganzen Reihe von inhaltlichen Ungenauigkeiten auch unzählige Rechtschreib- und Interpunktionsfehler auf, die die Lektüre erschweren. Als Beleg für den relativ ernüchternden Erkenntnisgewinn sollen hier die Schlussworte zitiert werden: „Graffiti wirft ein Licht auf verschiedene Strömungen im urbanen Stadtraum und vermag dazu beitragen, dass die Betrachter in ihrer Irritation zum Nachdenken angeregt werden. Der Kommunikationsaustausch kann demnach darin münden, dass die Betrachter untereinander ins Gespräch kommen und es die Grundlage für eine politische Handlung werden kann.“
Der letzte Artikel des Bandes lässt die Formen des American Graffiti außer Acht und fokussiert hingegen „Wort-, Symbol- und Parolen-Graffiti“, weil diese in der Regel weder von Graffiti-Forscher_innen ernst genommen noch von Politikwissenschaftler_innen angemessene Betrachtung erfahren würden. Diese häufig explizit politischen Ausdrucksformen erkennt der Autor als „Kommunikationsangebote in Protestform“ und schreibt ihren Urheber_innen klar den Status von politischen Akteur_innen zu. Damit gelingt es ihm – zumindest hinsichtlich dieser Spielart der ungefragten Interventionen auf öffentlichen Flächen – dem Band zu guter Letzt zu einem gelungenen Abschluss zu verhelfen, der dem Titel gerecht wird.

(Matze Jung  //  Journal der Jugendkulturen No. 16, Frühjahr 2011)

Andreas Klee (Hg.): Politische Kommunikation im städtischen Raum am Beispiel Graffiti
VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2010
Broschiert, 120 Seiten, 34,95 Euro