Schwedische Graffiti-Blogs jubeln: Die neue Mehrheit im Stadtparlament von Stockholm hat sich offenbar darauf verständigt, die jahrelange Null-Toleranz-Politik der Stadt aufzugeben. Damit ist das „Skandinavische Modell“ gescheitert, auf das sich auch in Berlin immer wieder Experten berufen haben (z.B. die inzwischen aufgelöste Nofitti-Vereinigung im Jahr 2005).

In Stockholm will nun eine Fraktion aus Sozialdemokraten, Linkspartei, Grünen und Feministen die Null-Toleranz-Regelung gegenüber Graffiti aufgeben. Roger Mogert, sozialdemokratischer Bürgermeister von Stockholm, sagte dazu:
Konkret bedeutet dies, dass wir eine tolerantere , offenere Stadt sein wollen, in der es wieder erlaubt ist, über Graffiti frei zu reden
Wie weit diese Null-Toleranz-Politik nach amerikanischem Vorbild in Stockholm bisher ging, war wohl auch vielen Außenstehenden (zum Beispiel uns) nicht klar. Offizielle Linie bisher war, dass städtische Einrichtungen keinerlei Aktivitäten fördern dürften, durch die das Interesse an Graffiti geweckt werden könnte. Es durfte keine legalen Wände geben und keine öffentlichen Kunstausstellungen über Graffiti. Städtische Einrichtungen durften nicht mal Graffiti-Ästhetiken in ihrer Öffentlichkeitsarbeit verwenden.
Einige Galerien versuchten das Verbot mit Ausstellungen zu „Kunst von der Straße“ zu umgehen. Dabei sahen sie sich aber immer wieder Angriffen von Seiten der Stadt ausgesetzt. Die Werbung für die Ausstellungen wurde entfernt. Besucher der Ausstellung wurden auf dem Nachhauseweg von Zivilpolizisten beschattet (und 16 festgenommen).
Besonders diese Eingriffe in die Meinungs- und Kunstfreiheit war wohl jetzt der neuen Fraktion im Parlament ein Dorn im Auge. Deshalb entschied sie sich, diese „anti-intellektuelle“ Haltung schrittweise lockern zu wollen. Schweden folgt damit dem Beispiel Finnlands, dass seine Zero-Tolerance-Politik 2008 nach zehn Jahren aufgab und gute Erfahrungen damit machte.
Die frühere Regierungspartei zeigte sich wenig begeistert. Ulla Hamilton (Moderate) sagte:“Dieses Vorhaben führt dazu, dass Stockholm eine beschmierte Stadt werden wird, die keiner mehr will.“ Falls es noch eines Beweises bedarf, dass keine Toleranz bisher auch keine Lösung war– hier eine schöne Diashow mit Graffiti aus Stockholm: